Newsletter vom 3. März 2021
Legislativpaket zur Kohäsionspolitik
Rat der Europäischen Union billigt 330 Milliarden Euro Legislativpaket zur Kohäsionspolitik 2021-2027
(JB) Die Botschafter*innen der Mitgliedstaaten haben am 3. März 2021 die Rechtstexte zu den Strukturfonds für die Förderperiode 2021-2027 formell gebilligt und so die mit dem Europäischen Parlament erzielte politische Einigung bestätigt.
Das Kohäsionspaket 2021-2027 sieht mehrjährige Investitionen vor, wobei der Großteil der Mittel für weniger entwickelte Länder und Regionen eingesetzt wird, um den sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalt in der Europäischen Union zu fördern. Dazu wurden fünf neue politische Ziele festgelegt, die den wichtigsten Prioritäten der Europäischen Union entsprechen:
- ein wettbewerbsfähigeres und intelligenteres Europa,
- ein grünerer, CO₂‑armer Übergang zu einer CO₂‑neutralen Wirtschaft und einem widerstandsfähigerem Europa
- ein stärker vernetztes Europa,
- ein sozialeres und inklusiveres Europa durch die Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte sowie
- ein bürgernäheres Europa.
Die aus den Fonds finanzierten Projekte reichen von Verkehrsinfrastruktur, Krankenhäusern und Gesundheitsversorgung, sauberer Energie, Wasserbewirtschaftung, nachhaltiger Stadtentwicklung, Forschung, Innovation und Digitalisierung bis hin zu Beschäftigungsprogrammen, sozialer Inklusion, allgemeiner und beruflicher Bildung. Die neuen Rechtsvorschriften vereinfachen die Regeln, verringern den Verwaltungsaufwand und sorgen für eine effizientere Mittelverwendung. Sie wurden insbesondere mit dem Europäischen Semester verknüpft, das einen Rahmen für die wirtschaftspolitische Koordinierung darstellt und aus dem länderspezifische Empfehlungen für Strukturreformen auf nationaler Ebene hervorgehen. Dies soll den Mitgliedstaaten als Richtschnur dafür dienen, wie die Mittel aus den Fonds am besten investiert werden können, um eine größere Wirkung auf regionaler und lokaler Ebene zu erzielen.
Im Rahmen des Klimaschutzes sollen insgesamt rund 30 Prozent der Strukturfonds zur Dekarbonisierung der Wirtschaft beitragen, wobei für jede Art von Investitionstätigkeit ein spezifischer Klimakoeffizient gilt. Bei den Projekten sollte auch der Grundsatz der »Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen« im Einklang mit den Umweltzielen der Europäischen Union eingehalten werden.
Das Europäische Parlament wird die politische Einigung voraussichtlich im März 2021 bestätigen. Während die Rechtstexte nach der Überarbeitung durch die Rechts- und Sprachsachverständigen höchstwahrscheinlich Ende Mai/Anfang Juni 2021 in Kraft treten werden, gelten die Zuweisungen der Mitgliedstaaten ab dem 1. Januar 2021.
(Quelle: Rat der Europäischen Union)
Schutz von Beschäftigten, Soziales Europa
Europäische Kommission ergreift Initiative zum Schutz von Beschäftigten für Digital-Plattformen
(UD) Die Europäische Kommission will die Arbeitsbedingungen von Menschen verbessern, die über digitale Plattformen arbeiten. Dazu hat sie am 24. Februar 2021 die erste Phase einer Konsultation mit den Sozialpartnern eingeleitet. In dieser Phase sollen die Ansichten der europäischen Sozialpartner zu Notwendigkeit und Ausrichtung möglicher EU-Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit eingeholt werden. Die Konsultation läuft mindestens sechs Wochen. Sofern die Sozialpartner nicht beschließen, nach einer ersten oder einer zweiten Phase der Konsultation untereinander Verhandlungen aufzunehmen, plant die Europäische Kommission, bis Ende des Jahres eine Gesetzgebungsinitiative vorzulegen.
Deutsche sprechen sich mehrheitlich für ein soziales Europa aus
(UD) Eine am 1. März 2021 von der Europäischen Kommission vorgestellte Eurobarometer-Umfrage zeigt, dass ein soziales Europa, das sich für faire Arbeitsbedingungen, Sozialschutz und Chancengleichheit einsetzt, für die große Mehrheit der europäischen Bürger*innen hohe Priorität hat. Laut der Umfrage ist für 91 Prozent der Befragten in Deutschland ein soziales Europa wichtig, europaweit teilen fast neun von zehn Europäern (88 Prozent) diese Ansicht. In dieser Woche wird die Europäische Kommission ihren Aktionsplan zur Europäischen Säule sozialer Rechte vorlegen.
Die drängendsten Fragen für die Europäer*innen sind Chancengleichheit und Zugang zum Arbeitsmarkt, faire Arbeitsbedingungen und Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung. Von der Europäischen Säule Sozialer Rechte erhoffen sich 79 Prozent der Befragten in Deutschland und Europa ein Mehr an Beschäftigung und Teilhabe. 62 Prozent in Deutschland und europaweit glauben, dass es im Jahr 2030 ein sozialeres Europa geben wird.
Bei der EU-Wirtschafts- und Sozialpolitik sind den Deutschen zu 48 Prozent gleiche Chancen beim Zugang zum Arbeitsmarkt am wichtigsten, gefolgt von fairen Arbeitsbedingungen und Lebensstandard mit 47 Prozent bzw. 36 Prozent.
Mehr Entscheidungen auf EU-Ebene fordern mehr als drei Viertel der Befragten in Deutschland bei fairen Arbeitsbedingungen in Europa und der Gleichbehandlung von Frauen und Männern (74 Prozent).
Künftige Maßnahmen auf Ebene der Europäischen Union erwarten dementsprechend 30 Prozent der Deutschen bei Rente, Ausbildung und lebenslangem Lernen. Im europäischen Durchschnitt erwarten mit 34 Prozent die meisten Befragten EU-Maßnahmen bei der Gesundheitsversorgung.
Dass soziale Rechte künftig eine größere Rolle spielen werden, glauben 62 Prozent der Deutschen und 51 Prozent der Befragten in anderen Mitgliedstaaten.
27.213 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den 27 Mitgliedstaaten beteiligten sich zwischen dem 20. November 2020 und dem 21. Dezember 2020 an der Befragung für das aktuelle Spezial-Eurobarmeter zu Sozialen Angelegenheiten.
Klimawandel, Kreislaufwirtschaft, Umweltverbesserungen für Wasser
Neue EU-Strategie für Anpassung an den Klimawandel
(MS) Die Europäische Kommission hat am 24. Februar 2021 eine neue EU-Strategie für die Anpassung an den Klimawandel angenommen. Wirtschaftliche Verluste durch klimabedingte Wetterextreme nehmen zu. Allein in der Europäischen Union betragen diese Verluste im Schnitt bereits mehr als 12 Mrd. Euro pro Jahr. Der Klimawandel wirkt sich jedoch nicht nur auf die Wirtschaft aus, sondern auch auf die Gesundheit der Menschen. Die Naturkatastrophe, die 2019 weltweit die meisten Todesopfer forderte, war die Hitzewelle in Europa mit 2.500 Todesfällen.
Die Europäische Kommission wird die Entwicklung und die Umsetzung von Anpassungsstrategien und -plänen fördern. Die Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel müssen der weltweiten Führungsrolle der Europäischen Union beim Klimaschutz gerecht werden. Mit dem Übereinkommen von Paris wurde ein weltweites Anpassungsziel festgelegt. Finanzielle Unterstützung für die Anpassung wird über die europäischen Struktur- und Investitionsfonds, die Gemeinsame Agrarpolitik, das Programm LIFE und die Aufbau- und Resilienzfazilität bereitgestellt.
Die Europäische Kommission hatte bereits 2019 diese neue EU-Strategie für die Anpassung an den Klimawandel im europäischen Grünen Deal angekündigt.
(Quelle: Europäische Kommission)
Europäische Union ruft Globale Allianz für Kreislaufwirtschaft ins Leben
(MS) Auf der UN-Umweltversammlung hat die Europäische Union in Zusammenarbeit mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen die »Globale Allianz für Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz (GACERE)« ins Leben gerufen. Die Globale Allianz für Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz bringt Regierungen, relevante Netzwerke und Organisationen zusammen. Sie möchte damit einen globalen Impuls zum Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Ressourceneffizienz und nachhaltigem Konsum geben.
Die fünfte UN-Umweltversammlung fand am 22. und 23. Februar 2021 statt. Sie ist das höchste Entscheidungsgremium der Welt im Bereich Umwelt. Die Umweltversammlung trifft sich alle zwei Jahre, um Prioritäten für die globale Umweltpolitik zu setzen und internationales Umweltrecht zu entwickeln.
(Quelle: Europäische Kommission)
Agrarpolitik muss stärkere Umweltverbesserungen für Wasser sicherstellen
(MS) Die Europäische Umweltagentur hat den Bericht »Wasser und Landwirtschaft - auf dem Weg zu nachhaltigen Lösungen« veröffentlicht. Darin wird gefordert, dass eine breitere Anwendung nachhaltiger landwirtschaftlicher Bewirtschaftungspraktiken erforderlich ist, um den Zustand der Gewässer und die Artenvielfalt zu verbessern. Um dies zu erreichen, sind ehrgeizigere Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft in der kommenden Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäische Union 2021-2027 erforderlich.
Jüngste Studien der Europäischen Umweltagentur haben gezeigt, dass viele Gewässer in keinem guten Zustand sind. Landwirtschaftliche Aktivitäten sind oft eine Belastung für Gewässer, etwa durch Verschmutzung oder durch Wasserentnahme. Es ist dringend notwendig, auf diese Herausforderungen zu reagieren, da die Auswirkungen des Klimawandels eine Gefahr für die landwirtschaftliche Produktion darstellen.
Im Rahmen des Europäischen Grünen Deals wurden mehrere Initiativen zur Stärkung der Nachhaltigkeit vorgeschlagen, darunter die Strategien für biologische Vielfalt 2030 oder für »Farm to Fork«. Wenn diese ehrgeizigen Ziele vollständig umgesetzt werden, könnten sie einen nachhaltigen Erhalt der Gewässer unterstützen.
(Quelle: Europäische Umweltagentur)
Europäischer Forschungsrat, Europäische Partnerschaften
Europäischer Forschungsrat öffnet erste Ausschreibungen
(ED) Am 22. Februar 2021 hat die Europäische Kommission das Arbeitsprogramm 2021 für den Europäischen Forschungsrat (ERC) vorgestellt. Es ist das erste Arbeitsprogramm unter Horizont Europa, dem neuen europäischen Rahmenprogramm für Forschung und Innovation für 2021-2027. Es umfasst drei Hauptausschreibungen für Pionierforschungsmaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 1,9 Mrd. Euro. Der Europäische Forschungsrat vergibt Stipendien an Forschende, damit sie ihre bahnbrechenden wissenschaftlichen und technologischen Entdeckungen verfolgen können, die die Grundlage für neue Industrien, Märkte und soziale Innovationen der Zukunft bilden können.
Über den gesamten langfristigen EU-Haushalt 2021-2027 wird der Europäische Forschungsrat über 16 Mrd. Euro aus Horizont Europa erhalten, das sind 22 Prozent mehr als in Horizont 2020.
Die ERC-Ausschreibungen umfassen die Starting Grants, die Spitzenforscher*innen dabei unterstützen werden, ein eigenes unabhängiges Forschungsteam oder -programm zu gründen. Die Ausschreibung wird am 25. Februar veröffentlicht, mit einem Budget von 619 Mio. Euro und einer Frist bis zum 8. April 2021. Am 11. März 2021 wird die Ausschreibung für Consolidator Grants für Forscher*innen, die ihr eigenes unabhängiges Forschungsteam oder -programm konsolidieren, mit einem Budget von 633 Mio. Euro und der Bewerbungsfrist am 20. April 2021 eröffnet. Schließlich wird der Europäische Forschungsrat am 20. Mai 2021 einen Aufruf für Advanced Grants für führende fortgeschrittene Forscher*inne starten, mit einem Budget von 626 Mio. Euro und einer Frist bis zum 31. August 2021.
Aufgrund des Übergangs zum neuen Rahmenprogramm sind die Synergy Grants im Arbeitsprogramm 2021 nicht verfügbar. Die Vergabe von Synergy Grants wird voraussichtlich mit dem Arbeitsprogramm 2022 wieder aufgenommen. Der Proof of Concept Grant wird derzeit vom Scientific Council, dem Leitungsgremium des Europäischen Forschungsrats, überarbeitet und erscheint daher auch nicht in diesem Arbeitsprogramm.
Der Europäische Forschungsrat vergibt im Rahmen offener Wettbewerbe Zuschüsse für Projekte, die von angehenden und etablierten Forschern geleitet werden. Da sein einziges Auswahlkriterium die wissenschaftliche Exzellenz ist, ist er bestrebt, Spitzenforschende aus der ganzen Welt nach Europa zu holen und hier zu halten. Bislang hat der Europäische Forschungsrat über 9.500 Forschende in verschiedenen Stadien ihrer Karriere und über 70.000 Postdoktorand*innen, Doktorand*innen und andere Mitarbeiter*innen in ihren Forschungsteams gefördert. Eine unabhängige Überprüfung im Jahr 2020 ergab, dass etwa 80 Prozent der geförderten Projekte wissenschaftliche Durchbrüche oder große Fortschritte sind, was die herausragende Qualität dieser EU-geförderten Forschung zeigt.
(Quelle: Europäische Kommission/Europäischer Forschungsrat)
Europäische Union institutionalisiert Partnerschaften
(ED) Am 23. Februar 2021 hat die Europäische Kommission zehn neue europäische Partnerschaften zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten bzw. der Industrie vorgeschlagen. Sie sollen u. a. die Vorsorge und Reaktion der Europäischen Union auf Infektionskrankheiten verbessern, effiziente emissionsarme Flugzeuge für eine saubere Luftfahrt entwickeln und die Nutzung erneuerbarer biologischer Rohstoffe bei der Energieerzeugung unterstützen. Die Europäische Union wird annähernd 10 Mrd. Euro an Finanzmitteln bereitstellen, die von den Partnern um mindestens denselben Betrag aufgestockt werden. Durch die Mobilisierung öffentlicher und privater Mittel sollen mit den Partnerschaften sektorenübergreifend die Entwicklung und Einführung neuer innovativer Lösungen verbessert und beschleunigt werden. Die Partnerschaften stehen einer breiten Palette öffentlicher und privater Partner offen (u. a. Industrie, Hochschulen, Forschungsorganisationen, öffentliche Aufgaben wahrnehmende lokale, regionale, nationale oder internationale Stellen oder Organisationen der Zivilgesellschaft, einschließlich Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen).
Die zehn Partnerschaften sollen als Instrumente des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation Horizont Europa den Übergang zu einem grünen, klimaneutralen und digitalen Europa rascher voranbringen. Es gehen ihnen einige bereits bestehende gemeinsame Unternehmungen voraus. Inhaltlich befassen sich die Partnerschaften mit folgenden Themen:
- Globale Gesundheitspolitik (EDCTP 3),
- Initiative zu Innovation im Gesundheitswesen,
- Digitale Schlüsseltechnologien,
- Kreislauforientiertes biobasiertes Europa,
- Sauberer Wasserstoff,
- Saubere Luftfahrt,
- Europas Eisenbahnen,
- Forschung zum Flugverkehrsmanagement im einheitlichen europäischen Luftraum (SESAR 3),
- Intelligente Netze und Dienste und
- Metrologie.
Der Vorschlag für eine Verordnung (einziger Basisrechtsakt) zur Gründung von neun gemeinsamen Unternehmen auf der Grundlage von Artikel 187 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) wird vom Rat der Europäischen Union nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses angenommen. Die Annahme des gesonderten Vorschlags einer Metrologie-Partnerschaft auf der Grundlage von Artikel 185 AEUV erfolgt nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses durch einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union.
(Quelle: Europäische Kommission)
Abtreibungsrechte und Rechtsstaatlichkeit in Polen, Erweiterung der EU-Straftatenliste
Debatte zu Abtreibungsrechten und Rechtsstaatlichkeit in Polen
(KS) Am 24. Februar 2021 führten der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) und der Ausschuss für Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) des Europäischen Parlaments eine Anhörung mit Expert*innen und der Kommissarin für Gleichheitspolitik, Helena Dalli, über die Gefährdung der Abtreibungsrechte und der bestehenden Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit in Polen durch.
Das Europäische Parlament hatte sich bereits im Rahmen einer Entschließung vom 24. November 2020 zu dem De-facto-Abtreibungsverbot kritisch geäußert und im Hinblick auf die Entscheidung vom 22. Oktober 2020 zur Verfassungswidrigkeit der Abtreibung in Fällen von fötalen Fehlbildungen eine mangelnde Unabhängigkeit und Legitimität des polnischen Verfassungsgerichtshofs angemahnt. In der Anhörung kritisierten verschiedene Sachverständige, wie u. a. Wojciech Hermeliński (vergleiche auch die beigefügte Präsentation in englischer Sprache), polnischer Anwalt und ehemaliger Richter des polnischen Verfassungsgerichts, und Neil Datta, Sekretär des Europäischen Parlamentarischen Forums für sexuelle und reproduktive Rechte, die Zusammensetzung des Obersten Gerichts, Unregelmäßigkeiten, wie die verspätete Veröffentlichung des Urteils, sowie die Kompetenz für die Auslegungsbefugnis. Auch die überwiegende Anzahl der Abgeordneten der Ausschüsse kritisierten wiederholt, dass die allein verbleibenden Abtreibungsrechte zu einem De-facto-Verbot von Abtreibungen in Polen führen. Hierin liege ein Verstoß gegen die Menschenrechte der Frauen und das Recht auf Selbstbestimmung, was die Kompetenz zum Einschreiten der Europäischen Union begründe. Die Europäische Kommission wurde von einer Vielzahl der Ausschussmitglieder zum Ergreifen weiterer Maßnahmen aufgefordert.
Kommissarin Helena Dalli betonte ebenfalls, dass die verfassungsgerichtliche Entscheidung die bisherige Rechtsgrundlage für 98 Prozent der Abtreibungsfälle zunichtegemacht habe und verwies auf die bereits eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren sowie die Einschätzung der Europäischen Kommission in Bezug auf die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts in Polen. Diese bereits 2017 geäußerten Bedenken seien ausweislich des Rechtsstaatsbericht 2020 bisher nicht ausgeräumt worden. Zugleich verwies die Kommissarin jedoch wiederrum auf die Kompetenz der Mitgliedstaaten in diesem Bereich, betonte aber ebenfalls auch die Möglichkeit der Förderung der Zivilgesellschaft, beispielsweise durch das Programm Recht und Werte. Die Verwirklichung der Gleichstellung sei ein erklärtes Ziel der Kommission von der Leyen, welche daher, so die Kommissarin weiter, die Entwicklungen aufmerksam beobachten werde.
Europäische Kommission legt Fahrplan zur Erweiterung der EU-Straftatbestände vor
(KS) Die Europäische Kommission hat einen Fahrplan für die bereits im Arbeitsprogramm für das Jahr 2021 angekündigte Initiative zur Erweiterung der EU-Straftatenliste veröffentlicht. Ziel der Initiative werde sein, Hassreden und Hassverbrechen im Rahmen des Artikels 83 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als »andere Bereiche der Kriminalität« einzuordnen. Vor allem die Entwicklung der Kriminalität in diesem Bereich rechtfertige, so die Europäische Kommission, ihre Aufnahme in die Liste, zumal es sich zudem in beiden Fällen um besonders schwere Straftaten handle, welche sich über Grenzen hinweg ausbreiten können. Eine entsprechende Mitteilung will die Europäische Kommission im vierten Quartal 2021 vorlegen.
Die Initiative wird dabei auch die Arbeit an einem Legislativvorschlag zur Verhinderung und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ergänzen, den die Europäische Kommission ebenfalls bis Ende 2021 vorlegen will und mit dem sie eine zusätzliche Rechtsgrundlage für den Umgang mit spezifischen Formen schwerwiegender geschlechtsspezifischer Gewalt schaffen will, die als solche ebenfalls Hassreden oder Hassverbrechen aus Gründen des Geschlechts umfassen. Die Ausweitung der Liste der EU-Verbrechen auf Hassreden und Hassverbrechen sei dabei, so der Fahrplan, Teil der Reaktion der Europäischen Union auf extremistische Ideologien im Internet und insbesondere auf die digitale Verbreitung rassistischer und fremdenfeindlicher Hassreden.
Rückmeldungen zum Fahrplan können bis zum 20. April 2021 abgegeben werden. Für eine Erweiterung bedarf es eines einstimmigen Beschlusses des Rats der Europäischen Union mit Zustimmung des Europäischen Parlaments. Durch die Erweiterung der EU-Straftatenliste nach Art. 83 AEUV könnten sodann in einem zweiten Schritt durch die Europäische Kommission Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in diesem Bereich vorgeschlagen werden.