Newsletter vom 23. September 2020
Coronavirus und grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung
Europäisches Parlament fordert EU-weite Harmonisierung medizinischer Beurteilungen und Maßnahmen
(GH) Das Europäische Parlament hat in seiner Sitzung am 10. September 2020 mehrheitlich eine Entschließung angenommen, die darauf hinweist, dass es nach wie vor keine harmonisierte Methode für die Erhebung und Bewertung der Zahl von COVID-19-Infizierten gibt, was zu unterschiedlichen Bewertungen des Gesundheitsrisikos und Einschränkungen der Freizügigkeit für Personen, die aus anderen EU-Ländern einreisen, führt. Die EP-Abgeordneten fordern die EU-weite Einführung gemeinsamer Begriffsbestimmungen, Gesundheitskriterien und Methoden zur wirksamen Bekämpfung der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen in der Europäischen Union.
Die Entschließung sieht vor, dieselbe Begriffsbestimmung für einen »positiven Fall von COVID-19«, für einen »Tod durch COVID-19« und für die »Genesung von einer Infektion« zu verwenden. Außerdem sollen von den Mitgliedstaaten gemeinsame Teststrategien angenommen und umgesetzt werden, damit die Testergebnisse in allen Mitgliedstaaten anerkannt werden können. Zudem sollen die unverhältnismäßig langen Wartezeiten für Tests verkürzt und gemeinsame Quarantänezeiten festgelegt werden. Reisebeschränkungen sollen im Einklang mit dem Kommissionsvorschlag koordiniert und erörtert werden, damit schnellstmöglich zu einem voll funktionsfähigen Schengen-Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen und Notfallpläne zurückgekehrt werden kann.
Dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) soll der Auftrag erteilt werden, das Risiko der Ausbreitung des Virus zu bewerten und eine wöchentlich aktualisierte Risikokarte (pro Region) unter Verwendung gemeinsamer Farbcodes zu veröffentlichen, die auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten erfassten und bereitgestellten Informationen erstellt wird. Die Mittelausstattung und Belegschaft des Zentrums sollten ebenfalls unverzüglich aufgestockt werden.
(Quelle: Europäisches Parlament)
EuGH zu grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung
(GH) Der Europäische Gerichtshof hat in einem Urteil vom 23. September 2020 in einem Vorabentscheidungsverfahren in der Rechtssache C-777/18 entschieden, dass der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und die Richtlinie über grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung einer nationalen Regelung entgegenstehen, die bei fehlender Vorabgenehmigung die Erstattung der Kosten eines dringenden Eingriffs ausschließt, dem sich ein in einem Mitgliedstaat wohnhafter Versicherter in einem anderen Mitgliedstaat unterzogen hat.
Der Europäische Gerichtshof stellte klar, dass eine solche Beschränkung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs unverhältnismäßig ist, da keine Ausnahme für Fälle vorgesehen ist, in denen vor Beginn der in einem anderen Mitgliedstaat erbrachten Behandlung eine ordnungsgemäß erteilte Vorabgenehmigung nicht vorgelegt werden könne, weil es dem Versicherten wegen seines Gesundheitszustands oder der Dringlichkeit, sich dieser Behandlung zu unterziehen, nicht möglich war, eine solche Genehmigung zu beantragen bzw. es unzumutbar wäre, die Entscheidung des zuständigen Krankenversicherungsträgers über seinen Genehmigungsantrag abzuwarten.
Dem Verfahren lag ein Fall zugrunde, in dem ein ungarischer Staatsangehöriger eine Netzhautablösung im linken Auge hatte und die Sehkraft auf diesem Auge verlor und am rechten Auge ein Glaukom diagnostiziert wurde. Seine Behandlung in verschiedenen ungarischen Gesundheitseinrichtungen blieb ohne Wirkung. Aus diesem Grund entschied sich der Patient, einen in Deutschland ansässigen Arzt zu kontaktieren, der ihn darauf hinwies, dass er sich unverzüglich einem augenärztlichen Eingriff noch während seines Aufenthaltes in Deutschland unterziehen müsse. Die Operation verlief erfolgreich.
Der Antrag auf Erstattung der mit der Gesundheitsversorgung in Deutschland verbundenen Kosten wurde von den ungarischen Behörden mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei dieser Versorgung um eine geplante Behandlung handele, für die eine Vorabgenehmigung erforderlich sei, die nicht vorgelegen habe.
(Quelle: Europäischer Gerichtshof)
Nachhaltiges Wachstum 2021, neue EU-Eigenmittel und Fonds für einen gerechten Übergang
Mitgliedstaaten sollen bereits erste Pläne für den Wiederaufbau vorlegen
(JB) Am 17. September 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Mitteilung zur jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum im Jahr 2021 zusammen mit den in diesem Rahmen vorgelegten Leitlinien für die Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne.
Mit der Veröffentlichung der jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum leitet die Europäische Kommission den diesjährigen Zyklus des Europäischen Semesters ein. Die in der Strategie für 2020 ermittelten vier Dimensionen – makroökonomische Stabilität, Produktivität, Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit – dienen weiterhin als Leitprinzipien, an denen sich die Aufbau- und Resilienzpläne der Mitgliedstaaten sowie deren nationale Reform- und Investitionsprogramme ausrichten sollen. Diese Dimensionen stehen im Mittelpunkt des Europäischen Semesters und sollen sicherstellen, dass die neue Wachstumsagenda dazu beiträgt, die Grundlagen eines grünen, digitalen und nachhaltigen Aufschwungs zu schaffen.
Damit die Aufbau- und Resilienzfazilität in Anspruch genommen werden kann, sollen die Mitgliedstaaten Entwürfe für Aufbau- und Resilienzpläne vorlegen, in denen die nationalen Investitions- und Reformprogramme im Einklang mit den genannten politischen Kriterien der Europäischen Union dargelegt werden. Die Aufbau- und Resilienzpläne der Mitgliedstaaten sollten den wirtschaftspolitischen Herausforderungen Rechnung tragen, die in den länderspezifischen Empfehlungen der letzten Jahre, insbesondere in den Zyklen 2019 und 2020, aufgezeigt wurden. Außerdem sollen die Pläne den Mitgliedstaaten helfen, wirtschaftlich zu wachsen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und soziale Resilienz zu erhöhen. Die Europäische Kommission fordert die Mitgliedstaaten daher nachdrücklich auf, Investitionen und Reformen in folgenden Schlüsselbereichen aufzunehmen:
- Vorantreiben – Frühzeitige Bereitstellung zukunftssicherer, sauberer Technologien und Beschleunigung der Entwicklung und des Einsatzes erneuerbarer Energien.
- Renovieren – Verbesserung der Energieeffizienz öffentlicher und privater Gebäude.
- Aufladen und Auftanken – Förderung zukunftssicherer sauberer Technologien zur Beschleunigung des Einsatzes nachhaltiger, erschwinglicher und intelligenter Verkehrsmittel, der Schaffung von Lade- und Betankungsstationen und Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel.
- Verbinden – rasche Einführung schneller Breitbanddienste für alle Regionen und Haushalte einschließlich Glasfaser- und 5G-Netze.
- Modernisieren – Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und öffentlicher Dienste einschließlich der Justiz- und Gesundheitssysteme.
- Expansion – Steigerung der Cloud-Kapazitäten für industrielle Daten und Entwicklung der leistungsfähigsten, fortschrittlichsten und nachhaltigsten Prozessoren.
- Umschulen und Weiterbilden – Anpassung der Bildungssysteme, um digitale Kompetenzen zu fördern, Schul- und Berufsausbildung für alle.
Die Frist für die Einreichung der Aufbau- und Resilienzpläne läuft am 30. April 2021 ab. Die Mitgliedstaaten werden jedoch aufgefordert, ihre Vorentwürfe ab dem 15. Oktober 2020 vorzulegen. Die Mitgliedstaaten sollten so bald wie möglich in einen breit angelegten, alle maßgeblichen Interessenträger einbeziehenden politischen Dialog eintreten, um ihre Aufbau- und Resilienzpläne vorzubereiten. Dabei sollten sie sich mit der Aufbau-Taskforce sowie der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen austauschen.
Hintergrund:
Die Durchführung der Fazilität wird von der Taskforce »Aufbau und Resilienz« der Europäischen Kommission in enger Zusammenarbeit mit der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen koordiniert. Ein Lenkungsausschuss unter dem Vorsitz von Präsidentin von der Leyen soll der Task Force politische Orientierung geben, damit die Fazilität kohärent und wirksam umgesetzt werden kann.
(Quelle: Europäische Kommission)
Europäisches Parlament fordert neue EU-Eigenmittel
(JB) Am 16. September 2020 nahm das Europäische Parlament mit breiter Mehrheit (455 Ja-Stimmen bei 146 Gegenstimmen, 88 Enthaltungen) die Entschließung zur geplanten Erhöhung der EU-Eigenmittel (Eigenmittelbeschluss) an.
Das Europäische Parlament fordert darin einen verbindlichen Zeitplan für Einführung neuer Eigenmittel und warnt vor weiteren Verzögerungen im Rat. In der Stellungnahme bekräftigen die Abgeordneten, dass neue Einnahmequellen für den EU-Haushalt nötig sind, um zumindest die Kosten des Aufbauplans zu decken.
Zusätzlich zu einem neuen nationalen Beitrag, berechnet auf Basis nicht-verwerteten Abfalls von Plastikverpackungen ab 2021, fordert der Ausschuss einen rechtlich verbindlichen Zeitplan für die Einführung neuer Eigenmittel in folgender Reihenfolge:
- Ab 1. Januar 2021 für Eigenmittel basierend auf den Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel;
- Ab 1. Januar 2023 für Eigenmittel basierend auf den Einnahmen aus der Besteuerung digitaler Dienstleistungen und des CO₂-Grenzausgleichsmechanismus;
- Ab 1. Januar 2024 für Eigenmittel basierend auf einer Finanztransaktionssteuer;
- Ab 1. Januar 2026 für Eigenmittel basierend auf einem Anteil an den steuerbaren Gewinnen, die dem jeweiligen Mitgliedstaat nach den EU-Regelungen einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage (GKKB) zugeteilt werden.
Mit der Annahme der legislativen Entschließung ist der Weg frei für die Einleitung der Ratifizierungsverfahren durch Mitgliedstaaten entsprechend ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften.
Niemand soll zurückgelassen werden
(JB) Ebenfalls am 16. September 2020 verabschiedete das Europäische Parlament auf seiner Plenartagung mit 417 Ja-Stimmen, bei 141 Nein-Stimmen und 138 Enthaltungen seinen Standpunkt zum Verordnungsvorschlag über einen Fonds für einen gerechten Übergang.
Gefordert wird darin, die Gelder, die im Finanzrahmen 2021-2027 für den Fonds vorgesehen sind, deutlich auf 25 Mrd. Euro (zu Preisen von 2018) aufzustocken. Die Europäische Kommission hatte 11 Mrd. Euro vorgeschlagen, der Rat der Europäischen Union sogar eine Kürzung auf 7,5 Mrd. Euro vorgenommen. Nach dem Willen des Europäischen Parlaments sollen zusätzlich 32 Mrd. Euro (zu laufenden Preisen) bereitgestellt werden, wie im Rahmen des EU-Aufbauinstruments vorgeschlagen.
Die Abgeordneten sprachen sich außerdem für einige zentrale Bestimmungen aus, die bereits im Empfehlungsentwurf des Ausschusses für regionale Entwicklung enthalten waren:
- Unterstützung für Bürger, Wirtschaft und Umwelt,
- Schaffung einer Umweltvergütung, des »Grünen Vergütungsmechanismus«, mit 18 Prozent der Mittel aus dem Fonds Mitgliedstaaten zugewiesen werden, die ihre Treibhausgasemissionen schneller senken als andere,
- Je 1 Prozent der Gesamtmittel für Inseln und Gebiete in äußerster Randlage,
- Kofinanzierungssatz von bis zu 85 Prozent der Kosten für förderfähige Projekte in der gesamten Europäischen Union,
- Möglichkeit, Mittel aus anderen Kohäsionsfonds freiwillig zu übertragen,
- Ausweitung des Geltungsbereichs auf Kleinstunternehmen, Unternehmen im Bereich nachhaltiger Tourismus, Investitionen in die soziale Infrastruktur, Hochschulen und öffentliche Forschungseinrichtungen, Energiespeichertechnik, emissionsarme Fernwärme, intelligente und nachhaltige Mobilität, digitale Innovationen wie etwa digitale Bewirtschaftungssysteme und Präzisionslandwirtschaft, Projekte zur Bekämpfung von Energiearmut sowie Kultur, Bildung und die Schaffung von Gemeinschaftsstrukturen sowie
- Ausnahmeregelung für erdgasspezifische Investitionen in Regionen, die stark auf die Gewinnung und Verbrennung von Kohle, Braunkohle, Ölschiefer oder Torf angewiesen sind, sofern sie gemäß der Taxonomieverordnung als »ökologisch nachhaltig« gelten und sechs zusätzliche Bedingungen erfüllen.
Darüber hinaus sollte die nationale Zuweisung für Staaten, die sich bisher noch nicht dazu verpflichtet haben, bis 2050 ein nationales Klimaneutralitätsziel zu erreichen, nur zu 50 Prozent zur Verfügung stehen.
Nach derzeitiger Planung sollen die Verhandlungen mit dem Rat der Europäischen Union in Kürze beginnen und sich mit allen Punkten befassen. Ausgespart wird dabei lediglich die Finanzausstattung des Fonds. Sie soll im Rahmen der parallel laufenden Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen vereinbart werden.
(Quelle: Europäisches Parlament)
Asyl- und Migrationspaket, Taskforce in Griechenland und EU-Drogenbericht
Kommission legt Asyl- und Migrationspaket vor
(AV) Am 23. September 2020 war es endlich soweit: die Europäische Kommission hat ihre ersten Vorschläge für eine Neuausrichtung und Modernisierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) vorgelegt. Der erste Schritt ist das neue Migrations- und Asylpaket.
Die Kernelemente sind ein verpflichtender Solidaritätsmechanismus in Krisenzeiten, effizientere Grenzverfahren und Rückführungen, verstärkte Zusammenarbeit mit Drittstaaten, mehr legale Zugangswege und ein entschlossenes Vorgehen gegen Schleuser.
Die Reform der europäischen Migrations- und Asylpolitik ist auch ein wichtiger Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020. Ein erster formeller Austausch zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission ist für die nächste Ratssitzung der EU-Innenminister am 8. Oktober 2020 geplant.
Die Mitteilung zum neuen Migrations- und Asylpaket wird von einem Fahrplan (Roadmap) mit Vorschlägen der Kommission begleitet. Zum Reformpaket gehören insgesamt fünf legislative Vorschläge (Verordnungstexte) und vier nicht-legislative Vorschläge (drei Empfehlungen und eine Leitlinie).
Die wesentlichen Punkte sind:
Stärkung des Vertrauens durch bessere und wirksamere Verfahren
Das erste grundlegende Element des Ansatzes der Kommission zur Vertrauensbildung besteht in effizienteren und schnelleren Verfahren. Insbesondere schlägt die Kommission die Einführung eines integrierten Grenzverfahrens vor, das erstmals ein Screening vor der Einreise umfasst. Dabei werden unter anderem alle Personen identifiziert, die die Außengrenzen der EU ohne Genehmigung überschreiten oder nach einem Such- und Rettungseinsatz ausgeschifft wurden.
Des Weiteren umfasst das Screening eine Gesundheits- und eine Sicherheitsüberprüfung, die Abnahme von Fingerabdrücken und die Registrierung in der Eurodac-Datenbank. Nach dem Screening können die Personen zum richtigen Verfahren weitergeleitet werden, z. B. zum Verfahren an der Grenze für bestimmte Kategorien von Antragstellern oder zum normalen Asylverfahren. Im Rahmen dieses Grenzverfahrens wird schnell über Asyl oder Rückführung entschieden, wodurch Personen, deren Fall rasch geprüft werden kann, schnell Sicherheit erhalten.
Gleichzeitig werden alle anderen Verfahren verbessert und von den EU-Agenturen stärker überwacht und besser operativ unterstützt. Die digitale Infrastruktur der EU für das Migrationsmanagement wird modernisiert, um diesen Verfahren zu entsprechen und sie zu unterstützen.
Gerecht verteilte Verantwortung und Solidarität
Das zweite grundlegende Element des Pakets ist die gerechte Aufteilung der Verantwortung sowie Solidarität. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, verantwortungsvoll und solidarisch zu handeln. In Krisenzeiten muss jeder Mitgliedstaat ausnahmslos solidarisch einen Beitrag leisten, um das Gesamtsystem zu stabilisieren, unter Druck stehende Mitgliedstaaten zu unterstützen und sicherzustellen, dass die Union ihren humanitären Verpflichtungen nachkommt.
Angesichts der unterschiedlichen Situationen in den Mitgliedstaaten und des schwankenden Migrationsdrucks schlägt die Kommission ein System flexibler Beiträge der Mitgliedstaaten vor. Diese reichen von der Umverteilung von Asylbewerbern aus dem Land der ersten Einreise bis hin zur Übernahme der Rückführung von Personen ohne Aufenthaltsrecht oder auch verschiedene Formen der operativen Unterstützung.
Das neue, auf Zusammenarbeit und flexiblen Formen der Unterstützung beruhende System soll zunächst auf freiwilliger Basis anlaufen, dann aber, wenn einzelne Mitgliedstaaten unter Druck geraten, auf der Grundlage eines Sicherheitsnetzes die Verpflichtung zu größeren Beiträgen vorsehen.
Der Solidaritätsmechanismus wird für verschiedene Situationen gelten, wie für die Ausschiffung von Personen nach Such- und Rettungsaktionen, Migrationsdruck, Krisensituationen oder andere besondere Umstände.
Ein Paradigmenwechsel bei der Zusammenarbeit mit Drittstaaten
Die EU wird auf gezielte und für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaften mit Drittstaaten hinarbeiten. Diese sollen dazu beitragen, gemeinsame Herausforderungen wie die Schleusung von Migranten zu bewältigen, legale Zugangswege zu schaffen und die Rückübernahmeabkommen und -vereinbarungen wirksam umzusetzen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden geschlossen handeln und ein breites Spektrum von Instrumenten nutzen, um die Zusammenarbeit mit Drittstaaten bei der Rückübernahme zu fördern.
Mit dem Paket soll auch ein gemeinsames EU-Rückkehrsystem entwickelt werden, um den EU-Migrationsvorschriften mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Dazu gehören ein wirksamerer Rechtsrahmen, eine wichtigere Rolle der Europäischen Grenz- und Küstenwache und ein neu zu ernennender EU-Rückkehrkoordinator mit einem Netz nationaler Vertreter, die die Kohärenz in der gesamten EU gewährleisten.
Das Paket umfasst außerdem Vorschläge für eine gemeinsame Migrationssteuerung mit einer verbesserten strategischen Planung, um sicherzustellen, dass die Politik der EU und diejenige der Mitgliedstaaten aufeinander abgestimmt sind, und eine verstärkte Überwachung des Migrationsmanagements vor Ort, um gegenseitiges Vertrauen zu schaffen.
Auch das Außengrenzenmanagement soll verbessert werden. Ab dem 1. Januar 2021 soll eine ständige Reserve der Europäischen Grenz- und Küstenwache eingesetzt werden, die im Bedarfsfall zur zusätzlichen Unterstützung mobilisiert werden kann.
Lesbos: Neue Taskforce soll sich um Aufbau neuer Aufnahmelager kümmern
(AV) Die EU-Kommission will die Situation auf der griechischen Insel Lesbos nach dem Großbrand im Flüchtlingslager Moria dauerhaft verbessern. Eine neue Taskforce soll dazu künftig gemeinsam mit den griechischen Behörden ein Pilotprojekt für neue Aufnahmeeinrichtungen umsetzen. Das gab die Kommission ebenfalls am 23. September 2020 bekannt. Laut Kommission soll die Taskforce dazu beitragen, dass Migration wirksamer gesteuert wird, mit angemessenen Lebensbedingungen, mehr Gewissheit durch schnellere Verfahren und einer ausgewogeneren Aufteilung von Verantwortung und Solidarität. Die Taskforce wird eng mit EU-Agenturen und internationalen Organisationen vor Ort zusammenarbeiten.
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson betonte: »Die Bedingungen in Moria waren inakzeptabel, sowohl vor als auch nach dem Brand. Männer, Frauen und Kinder lebten in überfüllten Lagern mit schlechten sanitären Einrichtungen und kaum Zugang zu medizinischer Versorgung. Die Taskforce vereint die zentralen Grundsätze des Asyl- und Migrationspakets - Fairness und Effizienz für die Antragsteller und mehr Verantwortung für die Mitgliedstaaten. Es reicht nicht, nie wieder zu sagen. Wir brauchen Taten und alle Mitgliedstaaten müssen ihren Teil dazu beitragen.«
Als oberste Priorität wird die Taskforce in den kommenden Monaten eng mit den griechischen Behörden zusammenarbeiten, um neue Aufnahmelager zu errichten. Die Einrichtungen werden den europäischen Standards entsprechen, eine dauerhafte Infrastruktur aufweisen und Zugang zu medizinischer Versorgung und angemessenen sanitären Einrichtungen bieten. Sie werden den spezifischen Bedürfnissen von Frauen, Kindern und Familien Rechnung tragen und eine stärkere Einbeziehung von EU-Agenturen und internationalen Organisationen wie UNHCR und IOM mit sich bringen.
Außerdem wird die Taskforce eine Reihe von Aktionen überwachen, die auf den Prinzipien der heute vorgestellten EU-Migrations- und Asylreform basieren.
EU-Drogenbericht 2020: Rekordmengen an Kokain und Heroin beschlagnahmt
(AV) Die Zahl der Sicherstellungen von Kokain liegt auf Rekordniveau, die beschlagnahmte Menge an Heroin hat sich zuletzt fast verdoppelt. Das ist ein Kernergebnis des EU-Drogenberichts 2020 (ENG). Er wurde am 22. September 2020 von der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA, European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction) veröffentlicht und zusammen mit Innen-Kommissarin Ylva Johansson auf einer Pressekonferenz vorgestellt.
Weitere neue Entwicklungen seien die zunehmende Herstellung synthetischer Drogen sowie Funde von hochpotentem Cannabis, neuen synthetischen Opioiden und Ecstasy-Tabletten mit einem hohen MDMA-Gehalt (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin).
Auf Basis von zeitnahen Studien der EMCDDA vom Frühjahr 2020 befasst sich der Bericht zudem mit COVID-19-bedingten Veränderungen in den Bereichen Drogenkonsum und Drogenmärkte. Die beobachteten Veränderungen könnten langfristig Auswirkungen auf die Arbeit europäischer Drogenhilfeeinrichtungen und Strafverfolgungsbehörden haben. Es werde befürchtet, dass für gefährdete Gruppen die während des Lockdowns entstandenen neuartigen Modelle der Drogenverbreitung die bereits bestehende problematische Drogenverfügbarkeit noch verschärfen könnte.
In der Analyse benennt die EU-Drogenbeobachtungsstelle eine Reihe von Kernthemen, deren detaillierte Unterfütterung in der Zusammenfassung des Berichts auf Deutsch nachzulesen ist:
Große Drogenlieferungen werden immer häufiger abgefangen. Kokain spielt beim Drogenproblem in Europa eine zunehmende Rolle. Das Potenzial für einen vermehrten Heroinkonsum und die bereits bestehenden Schäden geben Grund zur Sorge . Es ist wichtig, die Folgen von hochpotentem Cannabis und neuen Produkten für die öffentliche Gesundheit zu verstehen. Die Drogenherstellung in Europa hat zugenommen und ist vielfältiger geworden. Die anhaltende Verfügbarkeit hochpotenter MDMA-Produkte belegt die Notwendigkeit einer besseren Aufklärung der Konsumierenden. Die zunehmende Komplexität des Drogenmarktes birgt regulatorische Herausforderungen und gesundheitliche Risiken. Es sind neue Instrumente und innovative Strategien nötig, um die Behandlung von Hepatitis C zu unterstützen und auszuweiten. Drogenüberdosierungen sind zunehmend mit einer alternden Population verbunden. Neue psychoaktive Substanzen haben sich zu einem dauerhaften Problem entwickelt . Das Auftauchen neuer synthetischer Opioide demonstriert auf beunruhigende Weise die fortlaufende Anpassungsfähigkeit der Märkte.
Der EU-Drogenbericht wird jährlich veröffentlicht.
Beschäftigung
Bericht zur Beschäftigung und zur sozialen Lage in Europa 2020
(UD) Der am 15. September 2020 von der Europäischen Kommission vorgestellte (jährliche) Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die COVID-19-Pandemie tiefgreifende beschäftigungspolitische und soziale Auswirkungen hat und viele von der Europäischen Union bereits erzielten Fortschritte gefährdet. Angemessene Mindestlöhne, soziale Investitionen in Form von Umschulungsprogrammen bei der Umstellung auf eine grüne Wirtschaft und Kurzzeitarbeitsregelungen würden dazu beitragen, die durch COVID-19 verursachten Schäden zu beheben und künftige strukturelle Änderungen vorzubereiten.
Der wirtschaftliche Schock durch die Pandemie ist in allen Mitgliedstaaten größer als in den Jahren 2008-2009. Die Wirtschaftsleistung ist stark zurückgegangen, und die Arbeitslosigkeit steigt. Besonders stark betroffen sind vor allem schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen, wie Europas Jugend.
Vor diesem Hintergrund kommt der Bericht zu folgenden Schlussfolgerungen:
- Angemessene Mindestlöhne und ein angemessenes Mindesteinkommen können sich positiv auf die soziale Mobilität der Europäerinnen und Europäer auswirken.
- Die Stärkung der sozialen Gerechtigkeit, unter anderem durch Investitionen in die Menschen, zahlt sich aus. Die Verringerung geschlechtsspezifischer Unterschiede lohnt sich besonders, und auch die Verlängerung des Erwerbslebens und die Anhebung des Bildungsniveaus zeigen positive Auswirkungen.
- Strukturelle Veränderungen wie der grüne Wandel müssen mit sozialen Maßnahmen einhergehen, um erfolgreich zu sein. Insbesondere erfordert dieser Wandel soziale Investitionen in Form von Umschulungsprogrammen und/oder Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Dem Bericht zufolge könnten sich diese Sozialinvestitionen bis 2030 auf 20 Mrd. Euro oder mehr belaufen.
- Kurzzeitarbeitsregelungen schützen wirksam vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Die Europäische Union unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Bereitstellung solcher Regelungen durch Solidaritätsmechanismen wie dem Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE).
- Sozialer Dialog und Tarifverhandlungen wirken sich – durch die Förderung gerechterer Löhne, besserer Arbeitsbedingungen und inklusiverer Arbeitsmärkte – auf die Gerechtigkeit und deren Wahrnehmung am Arbeitsplatz aus.
Der für Beschäftigung und soziale Rechte zuständige EU-Kommissar Nicolas Schmit erklärte: »Der Bericht zur Beschäftigung und zur sozialen Lage in Europa zeigt, dass die Stärkung der sozialen Gerechtigkeit für die Überwindung der Krise von entscheidender Bedeutung ist. Dafür müssen die Menschen in den Mittelpunkt gerückt werden. Um Resilienz, Solidarität und Zusammenhalt zu gewährleisten, muss die EU der Beschäftigung Vorrang einräumen, Ungleichheiten verringern und für Chancengleichheit sorgen. Die wirksame Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte kann uns als Richtschnur dienen.«
Globale Entwaldung
Europäisches Parlament spricht sich gegen die globale Entwaldung aus
(JHG) Die EU-Abgeordneten haben am 15. September 2020 Maßnahmen vorgeschlagen, wie die Europäische Union zur Bekämpfung der weltweiten Entwaldung beitragen kann und fordern eine erneuerte EU-Politik zum Schutz der europäischen Wälder.
Die unverbindliche Entschließung wurde mit 543 zu 47 Stimmen bei 109 Enthaltungen angenommenen.
Die Europaabgeordneten reagierten damit auf eine Mitteilung der Europäischen Kommission, mehr Unterstützung für den Schutz, die Wiederherstellung und nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder zu geben sowie den Schutz der biologischen Vielfalt zu verstärken und die Kohlenstoffsenken sowie die Anerkennung der Produktivität und der Ökosystemleistungen der Wälder in das Blickfeld zu rücken.
Das Plenum will verbindliche Ziele zum Schutz und zur Wiederherstellung von Waldökosystemen, insbesondere von Urwäldern, im Einklang mit den Vorschlägen der Biodiversitätsstrategie der Europäischen Union bis 2030. Die Abgeordneten fordern die Europäische Kommission auf, Sorgfaltspflichtregeln für Finanzinstitutionen vorzuschlagen, die verhindern würden, dass EU-Finanzinstitute oder Banken direkt oder indirekt mit Entwaldung, Waldschädigung oder der Schädigung natürlicher Ökosysteme in Verbindung stehen. Diese Aktivitäten führen häufig auch dazu, dass indigene Bevölkerungsgruppen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.
Die Europäische Kommission sollte sicherstellen, dass für Produkte und Waren, die auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht werden, nachhaltige und entwaldungsfreie Lieferketten bestehen. Besonders die importierte Entwaldung müsse bekämpft werden. Darüber hinaus müssten künftige Handels- und Investitionsabkommen verbindliche Bestimmungen gegen Entwaldung enthalten, so der Resolutionsentwurf. Schließlich wollen die Abgeordneten, dass die externe Dimension des europäischen Green Deal durch Allianzen und Partnerschaften mit Drittländern gestärkt wird, um den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt zu bekämpfen.
Außerdem setzen sich die Abgeordneten für den Schutz von Urwäldern ein. Zwischen 1990 und 2016 gingen weltweit Wälder auf einer Fläche von 1,3 Millionen Quadratkilometern verloren, mit zerstörerischen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, das Klima, die Menschen und die Wirtschaft.
Aufforstung in bisher nicht bewaldeten Gebieten könnte unter bestimmten Bedingungen dazu beitragen, dass die Europäische Union bis 2050 klimaneutral wird, so die Abgeordneten. Neu gepflanzte Wälder können jedoch nicht die Primärwälder ersetzen, die mehr Kohlendioxid speichern und mehr wichtige Lebensräume bieten als jüngere und neu gepflanzte Wälder.
Kreatives Europa
Monitoring-Bericht 2019
(ED) Der Monitoring Bericht 2019 zu Kreatives Europa wurde veröffentlicht. Er verdeutlicht, dass der Wert der finanziellen Unterstützung durch Kreatives Europa in den Beziehungen und Netzwerken liegt, die den europäischen Kulturraum ausmachen.
Sächsische Akteure waren bis Mitte September 2020 34 Mal Koordinator eines Projektes und in 19 Projekten als Partner beteiligt. Die insgesamt 53 Projekte, in denen sächsische Einrichtungen und Akteure involviert waren, haben insgesamt 12 Mio. Euro Förderung von der Europäischen Union erhalten.
Das Programm Kreatives Europa zielt darauf ab, die wirtschaftliche, soziale und internationale Dimension des europäischen Kultur- und Kreativsektors zu stärken, seine Vielfalt zu fördern und seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. In seinen drei Abschnitten, MEDIA, Kultur und dem sektorübergreifenden Teil, hat das Programm im Jahr 2019 in engem Dialog mit den Akteuren auch mit neuen Formen der Unterstützung in Schlüsselbereichen experimentiert, z. B. die Verbreitung audiovisueller Inhalte, die Mobilität von Künstlern, internationale kulturelle Beziehungen und die Gleichstellung der Geschlechter.
Dank der Finanzierung des Teilprogramms Kultur arbeiteten mehr als 3.100 Organisationen an 501 Projekten zusammen, die zu zahlreichen Koproduktionen führten. Sie trug auch zu weiteren Innovationen im digitalen Bereich, zur sozialen Integration und zur Eingliederung benachteiligter Gruppen bei. Mit Hilfe eines neuen Finanzinstruments, das von der Europäischen Investitionsbank verwaltet wird, konnten 1.547 kleine und mittlere Unternehmen des Sektors Kredite in Höhe von 1,08 Mrd. Euro erhalten. Im Unterprogramm MEDIA erhielten 21 Filme im Jahr 2019 40 Preise bei den sieben renommiertesten Filmfestivals weltweit.
Von 2021 bis 2027 wird ein neues Programm auf das aktuelle folgen, das 2020 ausläuft.
Horizont 2020
Call zum Europäischen Grünen Deal geöffnet
(ED) Die Europäische Kommission hat am 18. September 2020 eine Ausschreibung von 1 Mrd. Euro für Forschungs- und Innovationsprojekte veröffentlicht, die auf die Klimakrise reagieren und zum Schutz der Ökosysteme und der Biodiversität beitragen. Der von Horizon 2020 finanzierte Europäische Grüne Deal Call soll »grüne« Herausforderungen in Innovationschancen verwandeln.
Dieser Aufruf zum Green Deal strebt kurz- bis mittelfristig klare, erkennbare Ergebnisse an, jedoch mit der Perspektive auf einen langfristigen Wandel. Es gibt weniger, aber zielgerichtete, umfangreichere und sichtbarere Maßnahmen, wobei der Schwerpunkt auf einer raschen Skalierbarkeit und Verbreitung liegt. Themen sind u. a. eine saubere, erschwingliche und sichere Energie, Industrie und Kreislaufwirtschaft, energie- und ressourceneffiziente Gebäude, nachhaltige Mobilität und Biodiversität sowie Ökosysteme.
Von den im Rahmen dieser Aufforderung finanzierten Projekten wird erwartet, dass sie Ergebnisse mit greifbarem Nutzen z. B. in den Bereichen liefern: acht Themenbereiche, die die Hauptarbeitsströme des Europäischen Green Deals widerspiegeln, und zwei horizontale Bereiche – die Stärkung des Wissens sowie die Befähigung der Bürger –, die eine längerfristige Perspektive für die Verwirklichung der im Europäischen Grünen Deal dargelegten Veränderungen bieten.
Die Einreichfrist endet am 26. Januar 2021