Newsletter vom 19. November 2020
Kapitalmarktunion
Schaffung einer Kapitalmarktunion kommt zu langsam voran
(JB) Am 11. November 2020 hat der Europäische Rechnungshof (ERH) seinen Sonderbericht zur Schaffung einer Kapitalmarktunion veröffentlicht.
Die Prüfer stellten fest, dass zwar einige Fortschritte erzielt wurden, die Erwartungen jedoch zu hoch gesteckt waren, um realistischerweise durch die Maßnahmen erfüllt werden zu können. Bislang steht bei den meisten Rechtsakten, die sich auf die Kapitalmarktunion beziehen, die Umsetzung noch aus oder liegt noch nicht lange zurück. Insbesondere können viele entscheidende Maßnahmen, die im Aktionsplan der Europäischen Kommission für die Kapitalmarktunion enthalten sind und noch nicht eingeleitet wurden, nur von den Mitgliedstaaten selbst oder mit ihrer vollen Unterstützung ergriffen werden. Viele Maßnahmen, die die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Zuständigkeit ergreifen konnte, waren nicht verbindlich und in ihrem Umfang zu eng gefasst.
Den Prüfern zufolge waren die Maßnahmen zur Diversifizierung der Finanzierungsquellen für Unternehmen zu schwach, um eine strukturelle Verlagerung hin zu einer stärkeren Marktfinanzierung in der Europäischen Union anzuregen und zu beschleunigen. Beispielsweise merken die Prüfer an, dass sich der Zugang zu öffentlichen Märkten für kleine und mittlere Unternehmen bisher weder wesentlich verbessert hat noch kostengünstiger geworden ist. Ferner weisen sie darauf hin, dass die Europäische Kommission mehr hätte unternehmen können, um die Finanzkompetenz von kleinen und mittleren Unternehmen sowie potenziellen Investoren zu fördern. Darüber hinaus war das Verbriefungsrecht – das als Instrument zur indirekten Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen hätte dienen können – zwar ein positiver Schritt, hat aber bisher weder wie erwartet zu einer einfacheren Finanzierung geführt noch die Kreditvergabekapazität der Banken erhöht.
Außerdem bestehen zwischen den Mitgliedstaaten klare geografische Unterschiede hinsichtlich der Kapitalisierung, Liquidität und Tiefe ihrer lokalen Kapitalmärkte. Die westlichen und nördlichen Mitgliedstaaten verfügen tendenziell über tiefere Kapitalmärkte und sich selbst verstärkende Kapitaldrehscheiben, während die östlichen und südlichen Mitgliedstaaten diesbezüglich zurückliegen. Die Prüfer stellten fest, dass die Europäische Kommission keine umfassende und klare EU-Strategie zur Überwindung dieser Unterschiede ausgearbeitet hatte. Weitere Hindernisse ergeben sich oftmals aus nationalen Rechtsvorschriften, etwa in den Bereichen Insolvenz und Quellensteuer, oder gehen auf die mangelnde Vermittlung von Finanzwissen zurück. Die Fortschritte bei der Beseitigung der Hindernisse waren begrenzt, was teilweise auf mangelnde Unterstützung seitens der Mitgliedstaaten zurückzuführen war.
Um die Wirksamkeit des Projekts einer Kapitalmarktunion zu verbessern, empfiehlt der Europäische Rechnungshof, die Durchführung gezielter Maßnahmen, um den Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen zu den Kapitalmärkten weiter zu erleichtern, sowie Maßnahmen zur Beseitigung der Fragmentierung und der wichtigsten grenzübergreifenden Investitionshemmnisse. Darüber hinaus ersucht der Europäische Rechnungshof den Rat der Europäischen Union zu prüfen, wie der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Beseitigung der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Eigen- und Fremdkapital, weiter vorangebracht werden kann.
Hintergrund:
In der Europäischen Union sind Unternehmen zur Finanzierung ihrer Tätigkeiten üblicherweise in hohem Maße auf Banken angewiesen. Um für Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen eine alternative Finanzierungsquelle zu schaffen und privates Kapital zu mobilisieren, unternimmt die Europäische Kommission seit 2015 Anstrengungen, um die Bankenunion durch eine Kapitalmarktunion zu ergänzen. Durch die Kapitalmarktunion sollen auch ganz allgemein grenzübergreifende Investitionshindernisse innerhalb der Europäischen Union beseitigt werden.
(Quelle: Europäischer Rechnungshof)
EU-Gesundheitsunion, Bekämpfung von COVID-19
Umfangreiches Gesundheitspaket im Rahmen einer stärkeren EU-Gesundheitsunion
(GH) Am 11. November 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission drei umfangreiche Legislativvorschläge für eine stärkere EU-Gesundheitsunion. Darunter findet sich ein europäischer Rechtsrahmen für die Vorsorge und Reaktion bei schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren. Außerdem sollen die Rolle und das Mandat des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) gestärkt werden.
Um ein tragfähigeres Mandat für die Koordinierung durch die Europäische Kommission und die EU-Agenturen zu schaffen, schlägt sie eine neue Verordnung zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren vor. Mit dem neuen Rechtsrahmen soll Folgendes erreicht werden:
- Bessere Vorsorge: Ein EU-Vorsorgeplan für Gesundheitskrisen und Pandemien sowie einschlägige Empfehlungen werden zwecks Annahme von Plänen auf nationaler Ebene ausgearbeitet und von umfassenden und transparenten Rahmen für Berichterstattung und Audits flankiert. Die Erstellung nationaler Pläne wird vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten und anderen EU-Agenturen unterstützt. Diese Pläne werden von der Europäischen Kommission und den EU-Agenturen Audits und Stresstests unterzogen.
- Stärkere Überwachung: Auf EU-Ebene wird ein gestärktes, integriertes Überwachungssystem geschaffen, in dem künstliche Intelligenz und andere fortschrittliche Technologien zum Einsatz kommen.
- Bessere Datenübermittlung: Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, ihre Berichterstattung über Indikatoren der Gesundheitssysteme zu erweitern (z. B. freie Krankenhausbetten, spezielle Behandlungs- und Intensivpflegekapazitäten, Anzahl der medizinischen Fachkräfte usw.).
- Die Ausrufung eines EU-Notstands würde eine engere Koordinierung auslösen und die Entwicklung, Bevorratung und Beschaffung von krisenrelevanten Produkten gestatten.
Seit dem Ausbruch der COVID-19 Pandemie stehen das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten sowie die Europäische Arzneimittel-Agentur unter besonderen Herausforderungen. Deshalb sollen beide Agenturen gestärkt und mit robusteren Mandaten ausgestattet werden.
Das Mandat des Europäische Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten soll in folgenden Bereichen ausgebaut werden:
- epidemiologische Überwachung durch integrierte Echtzeit-Überwachungssysteme,
- Vorsorge- und Reaktionsplanung, Meldewesen und Audits,
- Abgabe unverbindlicher Empfehlungen und Optionen für das Risikomanagement,
- Fähigkeit zur Mobilisierung und Entsendung der EU-Gesundheits-Taskforce zur Unterstützung der lokalen Reaktion in den Mitgliedstaaten sowie der
- Aufbau eines Netzwerks von EU-Referenzlaboratorien und eines Netzwerks für Substanzen menschlichen Ursprungs.
Für die Erweiterung der Aufgaben der Europäischen Arzneimittel-Agentur ist Folgendes vorgesehen:
- Überwachung und Verringerung des Risikos von Versorgungsengpässen bei kritischen Arzneimitteln und Medizinprodukten,
- wissenschaftliche Beratung zu Arzneimitteln, die möglicherweise das Potenzial haben, die Krankheiten, die diese Krisen auslösen, zu behandeln, zu verhüten oder zu diagnostizieren,
- Koordinierung von Studien zur Überwachung der Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen sowie die
- Koordinierung klinischer Prüfungen.
(Quelle: Europäische Kommission)
Europäische Kommission genehmigt weiteren Impfstoff-Vertrag für die Bekämpfung von COVID-19
(GH) Die Europäische Kommission genehmigte am 17. November 2020 einen weiteren Vertrag über die Lieferung eines potentiellen COVID-19-Impfstoffs. Dieses Mal ist es das Tübinger Unternehmen CureVac, das bis zu 405 Millionen Dosen liefern soll. Anfang dieses Jahres hat die Europäische Kommission gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank CureVac Fördermittel für die Entwicklung dieses Impfstoffs zur Verfügung gestellt. Die Europäische Kommission hat nun fünf Verträge mit Pharmaunternehmen unterzeichnet und arbeitet bereits mit dem US-Unternehmen Moderna an einem sechsten Vertrag. Entsprechende Sondierungsgespräche mit Moderna hatte die Europäische Kommission bereits im August dieses Jahres abgeschlossen.
Neben dem Vertrag mit CureVac hat die Europäische Kommission auch Verträge mit AstraZeneca, Sanofi-GSK, Johnson&Johnson sowie BioNTech-Pfizer genehmigt. Sobald der Nachweis für die Sicherheit und Wirksamkeit des COVID-19-Impfstoffs erbracht ist, soll unter den abgeschlossenen Verträgen jeder Mitgliedstaat gleichzeitig, anteilig und zu den gleichen Bedingungen den Impfstoff erhalten. Bis jetzt ist noch keiner dieser Impfstoffe zugelassen.
Parallel dazu arbeitet die Europäische Kommission im Rahmen der COVAX-Fazilität daran, Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen Zugang zu Impfstoffen zu verschaffen, um so sicherzustellen, dass auch diese rasch Zugang zu sicheren und wirksamen Impfstoffen haben.
(Quelle: Europäische Kommission)
Verbessertes Pandemie-Management
Wissenschaftliche Empfehlungen für ein verbessertes Pandemie-Management
(ED) Am 11. November 2020 haben die unabhängige Gruppe der leitenden wissenschaftlichen Berater der Europäischen Kommission (GCSA), die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und neuen Technologien (EGE) und Peter Piot, Sonderberater der EU-Präsidentin Ursula von der Leyen für die Reaktion auf COVID-19, eine gemeinsame Stellungnahme zur Verbesserung der Pandemievorsorge und des Pandemiemanagements veröffentlicht.
Die Berater geben eine Reihe von Empfehlungen ab, die dazu beitragen werden, neu auftretenden Infektionskrankheiten weltweit vorzubeugen sowie die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und international zu verbessern und die Bereitschafts- und Managementsysteme zu stärken. Darüber hinaus befassen sich die Berater mit der Frage, wie die Grundrechte und die soziale Gerechtigkeit in Zeiten einer Pandemie am besten aufrechterhalten werden können. Schließlich raten sie der Europäischen Kommission, sich mit systemischen Fragen im Zusammenhang mit Gesundheitskrisen auseinanderzusetzen, insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit.
Die Stellungnahme baut auf ersten gemeinsamen Erklärungen der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und neuen Technologien auf. Es ist geplant, die Zusammenarbeit der Berater im Jahr 2021 fortzusetzen, mit einem dritten gemeinsamen Ratschlag, wie Europa sich zu einer stärkeren Krisenresistenz im Allgemeinen entwickeln kann.
Die Stellungnahmen und Empfehlungen sind auch in die Pläne für eine Europäische Gesundheitsunion »EU4Health« eingeflossen, die ebenfalls am 11. November 2020 von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde. Zwei Tage später, am 13. November 2020, fand die erste Sitzung einer EU-Plattform der wissenschaftlichen Berater für COVID-19 der Mitgliedstaaten statt. Sie ergänzt das Beratungsgremium des Präsidenten für COVID-19 und die Arbeit des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).
(Quelle: Europäische Kommission)
Rat der EU-Innenminister*Innen
Freitag der 13., starke Signale und eine gemeinsame Erklärung
(AV) Die Innenministerinnen und Innenminister der Mitgliedstaaten trafen sich am 13. November 2020 digital zu einer informellen Ratssitzung.
Auf Initiative der deutschen Ratspräsidentschaft stand nach den jüngsten Anschlägen in Deutschland, Frankreich und Österreich die öffentliche Sicherheit außerplanmäßig als erster Punkt auf der Agenda. Die Innenministerinnen und Innenminister haben darüber beraten, wie die gemeinsamen Bemühungen der Europäischen Union zur Bekämpfung des Terrorismus weiter verstärkt werden können.
Ergebnis der Beratungen ist eine einstimmig angenommene Erklärung. Sie fasst die Themenbereiche zusammen, in denen die Mitgliedstaaten den Kampf gegen Terrorismus und Extremismus verstärken wollen.
Inhaltlich finden sich laut Zusammenfassung auf der Internetseite des Rates der Europäischen Union folgende Punkte: Die Innenministerinnen und Innenminister bekräftigen ihre Entschlossenheit, die gemeinsamen Werte der Europäischen Union zu wahren und diesem barbarischen Terror ganzheitlich entgegenzuwirken. Sie erinnern an die Maßnahmen der letzten zwei Jahrzehnte und heben eine Reihe von Maßnahmen hervor, bei denen die Arbeit vorangetrieben werden sollte, unter anderem in den Bereichen Religionsfreiheit, sozialer Zusammenhalt, Stärkung der Sicherheit eines gut funktionierenden Schengen-Raums, Gewährleistung der Sicherheit und Verhinderung von Radikalisierung, Online- und Offline-Austausch von Informationen über Personen, die eine terroristische oder gewalttätige extremistische Bedrohung darstellen, ausländische Terroristen, die erneuerte EU-Informationsarchitektur und den Schutz des öffentlichen Raums.
Die einstimmige Annahme der Erklärung wertete Bundesinnenminister Seehofer, der für die deutsche Ratspräsidentschaft den Vorsitz der Sitzung inne hatte, als starkes Signal für den europäischen Zusammenhalt.
Bundesinnenminister Seehofer: »Die Gespräche waren von der Überzeugung geprägt, dass wir den Terrorismus und den Extremismus in Europa gemeinsam bekämpfen wollen. Wir kämpfen dabei nicht gegen eine Religion, sondern gegen fanatischen und gewalttätigen Extremismus jeder Art.«
Am Nachmittag erörterten die Innenministerinnen und Innenminister als zweiten Tagesordnungspunkt die Vorschläge der Europäischen Kommission für einen Pakt über Migration und Asyl. Sie führten eine Orientierungsdebatte über Schlüsselelemente des Pakts, einschließlich der externen Dimension, der vorgeschlagenen Phase vor dem Eintritt, des Solidaritätsmechanismus, der internen Migration und des Asylmanagements, verschiedene Mittel zur Verbesserung der Rückkehr, die Rolle der Agenturen und die rechtlichen Wege zur Einreise nach Europa sowie Integration.
Die Prüfung des Pakts wird nun auf technischer Ebene fortgesetzt. Die Ministerebene wird voraussichtlich auf der Sitzung im Dezember auf diese Schlüsselelemente zurückkommen. Dann soll es unter anderem auch nochmals um die Europäische Polizeipartnerschaft gehen.
Die Europäische Kommission hat unter anderem angekündigt, Anfang Dezember einen Aktionsplan zur Bekämpfung des Terrorismus vorzulegen.
LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie
Europäische Kommission legt erstmalig eine LGBTIQ-Strategie vor
(KS) Die Europäische Kommission hat am 12. November 2020 erstmalig eine umfassende LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie vorgelegt, welche sich mit den Ungleichheiten und Herausforderungen, mit denen LGBTIQ-Personen konfrontiert sind, befasst und für die Jahre 2020-2015 konkrete Maßnahmen umfasst. Sie baut dabei auf der von der Europäischen Kommission 2015 vorgelegten und im letzten Jahr ausgewerteten Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTIQ auf und ist mit anderen strategischen Rahmen und Strategien der Europäischen Kommission, wie beispielweise dem jüngst vorgestellten EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025, der Strategie für die Rechte von Opfern oder aber auch der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter verknüpft.
Die Strategie sieht zielgerichtete Aktionen in den vier Säulen Bekämpfung der Diskriminierung von LGBTIQ-Personen, Gewährleistung der Sicherheit von LGBTIQ-Personen, Aufbau von LGBTIQ-integrativen Gesellschaften und im Rahmen einer führenden Rolle bei der Forderung nach LGBTIQ-Gleichheit in der ganzen Welt vor.
Umfasst sind dabei Vorschläge zur Bewältigung der Herausforderungen in der Gleichstellung von LGBTIQ-Personen in verschiedenen Bereichen wie Beschäftigung, Bildung, Sport und Gesundheit bis hin zu konkreten Maßnahmen zur Verbesserung von Rechtsschutzmöglichkeiten, der Bewältigung von für LGBTIQ-Familien bestehenden Schwierigkeiten in grenzüberschreitenden Situationen und der Bereitstellung finanzieller Unterstützung sowie der Förderung der Datenerhebung. Schwerpunkte sollen insbesondere auch in der Bekämpfung von Hassrede und Hassdelikten gesetzt werden und die Liste der »EU-Verbrechen« entsprechend erweitert werden. Zudem sollen Gelder für Initiativen bereitgestellt werden, die auf die Bekämpfung solcher Delikte abzielen und bei denen die Rechte der Opfer gestärkt werden.
Auch soll zukünftig die Berücksichtigung spezifischer LGBTIQ-Anliegen bei der Einbeziehung der Gleichstellung in allen EU-Politikbereiche, Gesetzen und Finanzierungsprogrammen verstärkt werden.
Mitgliedstaaten selbst werden insbesondere ermutigt nationale Aktionspläne zur LGBTIQ-Gleichstellung zu entwickeln.
Ein im Mai 2020 von der Europäischen Agentur für Grundrechte (FRA) veröffentlichte Umfrage zur Lage der LGBTIQ-Personen in Europa hatte ergeben, dass mindestens 43 Prozent der Befragten im letzten Jahr mit Diskriminierung konfrontiert waren.
(Quelle: Europäische Kommission)
E-Commerce-Geschäftspraxis, Pakt für Kompetenzen
Kartellverfahren der Europäischen Kommission gegen Amazon wegen der Nutzung nichtöffentlicher Daten
(CL) Die Europäische Kommission hat am 10. November 2020 im Rahmen eines am 17. Juli 2019 eröffneten Kartellverfahrens (Fallnummer: AT.40462) das Unternehmen Amazon von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass das Unternehmen durch Verfälschung des Wettbewerbs auf Online-Einzelhandelsmärkten gegen die EU-Kartellvorschriften gemäß Artikel 102 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstößt. Die nun übermittelte Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Europäischen Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften.
Hintergrund ist die doppelte Funktion von Amazon als Plattform: Zum einen stellt das Unternehmen einen Online-Marktplatz zur Verfügung, über den unabhängige Händler ihre Produkte direkt an Verbraucher verkaufen können, und zum anderen tritt das Unternehmen auf diesem Marktplatz selbst als konkurrierender Einzelhändler auf. Die Wettbewerbshüter werfen Amazon vor, nichtöffentliche Geschäftsdaten von unabhängigen Händlern, die über den Amazon-Marktplatz verkaufen, systematisch für das eigene, in unmittelbarem Wettbewerb mit diesen Händlern stehende Einzelhandelsgeschäft zu nutzen.
Darüber hinaus hat die Europäische Kommission ein zweites förmliches Kartellverfahren (Fallnummer: AT.40703) eingeleitet, um zu prüfen, ob Amazon eigene Angebote und Angebote von Verkäufern, die die Logistik- und Versanddienste von Amazon nutzen, bevorzugt behandelt. Bei dieser Untersuchung geht es um die Bedenken, die die Europäische Kommission hat, dass das Unternehmen die eigenen Einzelhandelsangebote und die Angebote von Marktplatz-Verkäufern, die die Logistik- und Zustellungsdienste von Amazon nutzen (»Versand-durch-Amazon«), bevorzugt behandelt.
Es soll insbesondere geprüft werden, ob die Kriterien, nach denen Amazon das Einkaufswagen-Feld vergibt und es Verkäufern ermöglicht, Prime-Kunden zu beliefern (»Prime durch Verkäufer«), zu einer Vorzugsbehandlung der Angebote von Amazon oder der Angebote von Verkäufern, die die Logistik- und Versanddienste von Amazon nutzen, führen. Das Verfahren erstreckt sich auf den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit Ausnahme Italiens, dessen Wettbewerbsbehörde bereits im vergangenen Jahr eine Überprüfung wegen ähnlicher Bedenken eröffnet hatte. Die Europäische Kommission will während der gesamten Untersuchung mit der italienischen Wettbewerbsbehörde zusammenarbeiten.
Neuer europäischer »Pakt für Kompetenzen« soll zu mehr unternehmerischen Investitionen in Aus- und Weiterbildung führen
(CL) Die Europäische Kommission hat am 10. November 2020 einen »Pakt für Kompetenzen« ins Leben gerufen. Durch ihn soll die Zusammenarbeit von Industrie, Arbeitgebern, Sozialpartnern, Handelskammern, Behörden, Bildungs- und Ausbildungsanbietern sowie Beschäftigungsagenturen in Sektoren wie beispielsweise der Automobilindustrie, der Mikroelektronik, der Luft- und Raumfahrt- sowie der Verteidigungsindustrie gestärkt werden und zu mehr Investitionen von Unternehmen in Höherqualifizierung und Umschulung führen.
Nach dem Beitritt zum »Pakt für Kompetenzen« erhalten die Teilnehmer Zugang zu Plattformen für Vernetzung, Wissensaustausch und Ressourcen. Außerdem hat die Europäische Kommission angekündigt, Informationen und Orientierungshilfen zu Finanzierungsangeboten und Programmen der Europäischen Union im Bereich Kompetenzen anzubieten und hierfür eine zentrale Anlaufstelle auf EU-Ebene einzurichten.
Der Kompetenzpakt wird von einer Charta begleitet, in der die Industrie, die Sozialpartner, Berufsbildungsanbieter und nationale, regionale sowie lokale Behörden ihre Vorstellungen von hochwertiger Berufsbildung festschreiben.
Studie zum Stromverbrauch von Rechenzentren
Kommissionsstudie zeigt Wege zu geringerem Stromverbrauch von Cloud-Diensten und Rechenzentren
(CL) Die Europäische Kommission hat am 9. November 2020 eine 287 Seiten umfassende Studie zum Thema »Energy-efficient Cloud Computing Technologies and Policies for an Eco-friendly Cloud Market« veröffentlicht.
Die Studie verfolgt unter anderem das Ziel herauszufinden, wie der steigende Stromverbrauch von Cloud-Diensten und Rechenzentren in der Europäischen Union künftig stärker begrenzt werden kann und steht damit in direktem Zusammenhang zum Hauptziel des Green Deal der Europäischen Union, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Des Weiteren soll die Untersuchung die laufenden Bemühungen, das Ziel der Digitalen Strategie zu erreichen, bis 2030 klimaneutrale, hoch energieeffiziente und nachhaltige Rechenzentren zu schaffen und ein europäisches Cloud-Regelwerk mit gemeinsamen technischen Regeln und Normen zu entwickeln, unterstützen. Ein wesentlicher Ansatzpunkt der Europäischen Kommission ist die stärkere Kontrolle des Stromverbrauchs der digitalen Technologien vor dem Hintergrund einer weiter stark wachsenden globalen Datenmenge.
Eines der Ergebnisse der Studie ist, dass der Energieverbrauch von Rechenzentren in den Mitgliedstaaten voraussichtlich von 2,7 Prozent des Strombedarfs im Jahr 2018 (76,8 Terawattstunde) auf 3,2 Prozent bis 2030 (98,5 Terawattstunde; Anstieg = 28 Prozent) ansteigen wird.
Zu den vorgeschlagenen technischen Lösungen gehören beispielsweise effizientere Kühlsysteme, die Wiederverwendung von Wärme, der Einsatz erneuerbarer Energien zur Versorgung von Rechenzentren und der Bau dieser Rechenzentren in kälteren Regionen.
Zu den möglichen politischen Optionen gehören ein umweltfreundliches öffentliches Beschaffungswesen, Regeln für Europas Behörden, umweltfreundlicher Dienstleistungen einzukaufen, sowie die Förderung einheitlicher Indikatoren für Energieeffizienz.
Biodiversitätsstrategie 2030
Europäische Kommission veröffentlicht Fahrplan zur Wiederherstellung der Natur
(HJG) Die Europäische Kommission hat am 4. November 2020 einen Fahrplan für ihren Vorschlag einer europäischen Verordnung zur Wiederherstellung der geschädigten Ökosysteme veröffentlicht. Sie setzt sich damit für das Ziel ein, bis 2030 mindestens 30 Prozent geschädigter Meeres- und Landflächen wiederherzustellen.
Ein besonderes Augenmerk richtet sie auf die Bereiche mit dem größten Potenzial zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff als auch auf die Verhinderung bzw. Verringerung der Auswirkungen von Naturkatastrophen. Vorbehaltlich einer Folgenabschätzung wird die Gesetzesinitiative rechtsverbindliche Ziele für die Wiederherstellung von Ökosystemen auf Grundlage von zum Teil bestehenden EU-Rechtsvorschriften wie der Vogelschutz- und Habitat-Richtlinie, der Wasserrahmenrichtlinie sowie der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie formulieren.
Der Schutz und die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Mooren und Torfgebieten, frei fließenden Flüssen und Meeresökosystemen sollen beispielsweise eines dieser festzulegenden Ziele sein. Aber auch Ziele, die sich auf weitere Ökosysteme, Lebensräume oder Arten beziehen, die nicht durch bestehende Rechtsvorschriften abgedeckt sind, wie z. B. Bestäuber oder Böden, können als rechtsverbindliche Ziele formuliert werden. Ein entsprechender Legislativvorschlag ist für das 4. Quartal 2021 geplant und soll als Vorzeigemaßnahme im Rahmen der neuen Biodiversitätsstrategie 2030 der Europäischen Kommission dienen. Beiträge zum Fahrplan können noch bis zum 2. Dezember 2020 eingereicht werden.
Europäisches Jahr der Schiene
2021 wird das »Europäische Jahr der Schiene«
(CL) Nach der Einigung im Trilog zwischen dem Rat der Europäischen Union, Europäischem Parlament und Europäischer Kommission am 12. November 2020 ist der Weg frei für das »Europäische Jahr der Schiene« im kommenden Jahr. So soll in 2021 im Rahmen von Projekten, Veranstaltungen und Initiativen für die Schiene als attraktive und nachhaltige Möglichkeit des Personen- und Güterverkehrs in ganz Europa geworben werden. Der gefundene Kompromiss muss nun noch formal von den beiden Gesetzgebungsorganen Rat der Europäischen Union und Europäischem Parlament angenommen werden.
Aus Sicht der Europäischen Kommission spielt der Schienenverkehr unter anderem bei der Umsetzung des im Dezember 2019 vorgelegten Europäischen Grünen Deal eine wichtige Rolle. So sei der Verkehr auf der Schiene »weitgehend elektrifiziert« und emittiere »weitaus weniger« CO₂ als der entsprechende Straßen- oder Luftverkehr. Die Schiene ist auch der einzige Verkehrsträger, bei dem die CO₂-Emissionen seit 1990 trotz zunehmender Beförderungsvolumen fast kontinuierlich gesenkt worden ist.
Neben der Bedeutung im Hinblick auf die Verringerung der Emissionen im Verkehrssektor, sei 2021 zudem ein wichtiges Jahr für die Eisenbahnpolitik der Europäischen Union, da es das erste Jahr sein werde, in dem die im Rahmen des Vierten Eisenbahnpakets vereinbarten Regeln in der gesamten Europäischen Union umgesetzt würden, wodurch der Wettbewerb verstärkt und die Kosten und der Verwaltungsaufwand für die Eisenbahnunternehmen verringert werden sollen.
Die seit 1983 (nicht zwingend jährlich) ausgerufenen Europäischen Jahre sollen für bestimmte Themen sensibilisieren, Diskussionen anstoßen und zum Umdenken anhalten. Hierfür werden in der Regel zusätzliche Finanzmittel für lokale, nationale und grenzübergreifende Projekte bereitgestellt.